Der Weg ist das Ziel
(Allgemein akzeptierte Ansicht und billige Ausrede für die, die den Gipfel nicht erreichen.)
Zusammen mit meiner Amerikareise stand irgendwann die Idee im Raum, dass wir, Christoph Haas und ich, Alexander Hühn, und wer sonst noch mitmachen wollte, meinen transatlantischen Aufenthalt nutzen und uns irgendwo an einem Bergziel treffen könnten, um es gemeinsam zu besteigen.
Zuerst war der Alpamayo in Südamerika in der engeren Auswahl. Da aber eine Expedition dorthin zu teuer gewesen wäre, kam Christoph auf die Idee den Mt. Mc Kinley (oder Denali, „Der Große“, wie er von den Einheimischen genannt wird) zu versuchen. Er ist Nordamerikas höchster Berg und steht in Alaska im Denali National Park, ca. 300km von Anchorage entfernt.
Ich war einverstanden und so machten wir uns an die genaueren Planungen und Vorbereitungen, Silke Paul übernahm den weiblichen Part unserer Seilschaft.
Da wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten buchten, flogen wir getrennt nach Anchorage und zurück. Der Startschuss fiel am 04.05.:
Nach den schlechten Reisegepäck-Erfahrungen bei meiner Amerikareise sollte diesmal alles ohne Probleme funktionieren. Jeder konnte seine zwei riesigen Gepäckstücke mitnehmen und ich hatte nur noch die Skiausrüstung als Übergepäck einzuchecken.
Die Flüge über Atlanta und Salt Lake City nach Anchorage waren ja fast schon Normalität, nur dem Zollbeamten klarzumachen, dass in meinen zwei komischen Kisten Kletterzeug drin ist, war etwas schwieriger... Dafür bot der fast leere Flieger nach Anchorage sogar den überraschenden Komfort eines Dreisitz- Schlafplatzes.
In Anchorage angekommen hätte ich noch eine Stunde auf Silke und Christoph zu warten gehabt, doch auf Grund eines Missverständnisses wartete ich am falschen Gate. So erfuhr ich erst mit etwa halbstündiger Verspätung, dass sich die beiden schon ins Hotel begeben hatten, nachdem ich ja nicht zu finden war. Erst um ca. 2:00 Uhr morgens waren wir alle nach 19stündigem Flug in unserem Hotelzimmer in Anchorage vereint.
Die drei Tage in Anchorage nutzten wir um den REI Shop zu plündern, in dem gerade Jubiläumsverkauf war, uns mit sonstigen Lebensmitteln und der noch benötigten Ausrüstung einzudecken. Und um in unserem -zum Glück sehr geräumigen- Hotelzimmer unsere sieben (oder wahrscheinlich eher einemilliondreihundertzweiundsiebzigtausendfünfhundertneunundzwanzig) Sachen so fertig wie möglich zu packen. Dabei stellten wir fest, dass wir nach den Portionsangaben auf der Trekkingnahrung jeden Abend für ca. 12 Leute essen würden.
Am dritten Tag, dem 07.05., wurden wir dann um 16:30 Uhr am Hotel in Anchorage abgeholt.
Da der Talkeetna Shuttle wahrscheinlich fast nur Kletterer befördert, hatten sie sich schon auf viel Gepäck eingestellt und brachten gleich einen riesigen Anhänger mit. Im Einlade- und Abfahrchaos muss ich dann meinen Laptop einfach vor dem Hotel stehen gelassen haben, der Portier meinte auf jeden Fall bei unserer Rückkehr, er habe ihn dort nach unserer Abfahrt gefunden...
Im Shuttle war außer uns noch eine amerikanische Gruppe, wie ich inzwischen weiß kamen nur zwei aus Kalifornien, der Rest aus Seattle. Ich habe sie also irrtümlicherweise als Kalifornier bezeichnet. Wenn man als bergsteigende Gruppe nach Talkeetna fährt, ist die Wahrscheinlichkeit ca. 99% dass man zum Denali will, auch wenn die Alaska Range noch hunderte anderer Berge bietet. So entwickelte sich gleich das obligatorische Gespräch, wer sich wie gefunden hatte und auf welche Art den Berg besteigen wollte. Die ca. 200km nach Talkeetna vergingen ziemlich schnell, auf einer Anhöhe kurz vor dem Ortsschild hatten wir dann den ersten Blick auf die Alaska Range, alle überragend Mt. Foraker, Mt. Hunter und Denali.
In Talkeetna wohnten wir in einem kleinen Hostel und waren wegen der recht beengten Platzverhältnisse sehr froh, dass wir schon in Anchorage gepackt hatten. Zumal im Hostel auch noch eine Gruppe aus Frankreich wohnte, die es nicht größer machte.
Da wir aber für den Flug jeder „nur“ 57kg Gepäck pro Person mitnehmen durften und es in dem Hostel leider keine Waage gab, rechnete es sich zum ersten mal, dass ich dreizehn Jahre die Schulbank gedrückt hatte. So improvisierte ich eine Waage aus einem Holzbalken, Kletterzeug und einem Wassereimer. Leider lernte ich in der Schule nicht die Stabilität von Holzbalken zu beurteilen und so versagten sie bei den Rucksäcken zweimal den Dienst und brachen exakt in der Mitte durch. Wenigstens von der restlichen Ausrüstung hatten wir aber eine Ahnung wie schwer sie ungefähr war und so entschlossen wir uns noch einiges an Essen auszusortieren, vor allem an Knabberzeug.
Der Sonntag führte uns zuerst zur Rangerstation. Wer den Denali besteigen will, muss sich hier anmelden und das Permit, die Erlaubnis zum Besteigen des Berges, bezahlen.
Für manche mag es sich komisch anhören, für das Besteigen eines Hügels, der ja „sowieso“ dasteht auch noch bezahlen zu müssen. Wenn man jedoch bedenkt was die Ranger für 200,-$Permit alles an Infrastruktur, vor allem auch im Notfall, bieten, war es zumindest für mich, keine übertriebene Ausgabe.
Wir mussten allerdings noch die Einweisung der „Kalifornier“ abwarten und gingen deshalb ins Roadhouse zum Frühstück. Hier frühstücken fast alle Gäste Talkeetnas und so bekommt man schon einen kleinen Eindruck, wer denn so in den nächsten Tagen ins Basecamp fliegen wird.
Nach zwei Pfannkuchen und ausgezeichneter heißer Schokolade befand ich mich wieder in der Rangerstation. Wir bekamen eine kleine Power Point Präsentation über generelle Verhaltensregeln, Besonderheiten und unsere Routenwünsche gezeigt. Außerdem stand der äußerst freundliche Ranger auch für alle uns sonst noch in den Sinn kommenden Fragen Rede und Antwort. Zu guter letzt erhielten wir noch nummerierte Müllsäcke, Aufkleber um unsere Vorräte zu markieren, biologisch abbaubare Säcke und eine „Clean Mountain Can". -Was ist eine Clean Mountain Can (CMC)?
Da so viele Leute den Denali besteigen wollen und das vor allem auf dem Normalweg, der West Buttress, und da bei den Temperaturen nichts wirklich verrotten kann, gäbe es schon längst ein Problem mit den „human wastes“. Deshalb hat der Nationalparkservice (NPS) sich ein paar Lösungen ausgedacht: Im Basislager und im Medical Camp gibt es so was wie Toiletten, unterhalb des Medical Camp muss man seine Geschäfte in die abbaubaren Tüten verrichten und die dann in markierten Gletscherspalten versenken. Oberhalb des Medical Camp soll man die CMC benutzen, eine kleine, dicht verschließbare Plastiktonne, Deren Inhalt man anschließend auch wieder in die markierten Gletscherspalten schmeißt...Und es funktioniert!
Da uns immer noch rund 100km vom eigentlichen Berg trennten, gingen wir als nächstes bei K2 Aviation, unserer „Fluggesellschaft“ für den Flug ins Basislager, vorbei. Dort bestätigten wir noch mal den gebuchten Flug, mussten unser Permit vorweisen, unseren Bedarf an Wands (Markierungsfähnchen) und Benzin für die Kocher angeben und bezahlen.
Wir hatten noch letzte Vorbereitungen zu treffen und so vereinbarten wir, dass uns K2 um ca. 14:00 Uhr im Hostel abholen würde.
Ich schrieb noch schnell den letzten Bloggereintrag und telefonierte mit zu Hause, da kam auch schon der Van von K2. Wir luden alles ein und machten uns auf den Weg zum zwei Minuten entfernten Flugplatz (Ich glaube es gibt in Talkeetna nichts was weiter als fünf Minuten entfernt ist...).
Allerdings dauerte es noch bis zum späten Nachmittag mit unserem Flug, da erst noch einige andere Gruppen eingecheckt und geflogen werden mussten. Als wir endlich an der Reihe waren wurde unser gesamtes Gepäck inklusive uns gewogen und einer einmotorigen Maschine mit vier Plätzen zugeteilt.
Der Pilot packte, wir setzten uns ins Flugzeug und das Abenteuer begann!
Viel sanfter als bei einem Verkehrsflugzeug hob die Maschine von der kurzen Startbahn ab und wir sahen uns über der alaskanischen Tundra mit ihren tausenden Seen, Flüssen und Mooren, die alle schneebedeckt dalagen, dahinfliegen. Am Horizont immer im Auge die drei Massive von Mt. Foraker, Mt. Hunter und Denali, wie umspült von den anderen, weitaus niedrigeren Bergen der Alaska Range.
Unser Pilot erklärte uns die Landschaft und nach einem kurzweiligen Flug von ca. 45min setzte er die Maschine butterweich auf die Gletscherpiste des Basislagers (2200m) knapp hinter dem Mt. Hunter auf den South East Fork des Kahiltna Gletschers.
Schneller als gedacht war die Maschine entladen und schon nach wenigen Minuten standen wir mit all unseren Taschen bei strahlendem Sonnenschein vor dem Zelt der Ranger im Basislager, der uns die Benzinkanister, die Wands (ca. 1m lange Bambusstangen mit Stofffetzen am Ende) und die Schlitten für den Gepäcktransport (kann man sich vorstellen wie flache Wäschewannen mit geprägten Kufen) gab.
Wie Ihr vielleicht von den Bloggerberichten schon wisst zogen wir erst am übernächsten Tag weiter, da wir zuvor noch mal Spaltenbergung üben wollten Ist nämlich schon etwas anderes mit riesigem Rucksack und Skiern. Wenn dann noch ein Schlitten mit dranhängt...
Unser Übungstag begrüßte uns allerdings mit Schneefall und bedecktem Himmel und so fand die Spaltenbergung erst mal theoretisch bei Silke und Christoph im Zelt statt. Nachmittags klarte es endlich auf und so konnten wir doch noch an einer der „monster crevasses“ nahe des Basislagers üben.
Den Rest des Tages und auch den folgenden Vormittag verbrachten wir mit Schlittenpacken und Vorräte vergraben.
Am 10.05. ging es mittags los! Nachdem uns eine riesige Lawine in der Nordostwand des Forakers noch mal demonstriert hat, wie klein wir an diesen Bergen doch sind , fuhren wir mit unseren Schlitten den Heartbreak Hill des South East Fork hinunter. Hier sahen wir im Gletscherbruch eine riesige Eissanduhr (durch die ich gut hätte durchgehen können). Schließlich bogen wir auf den Kahiltna Gletscher ein. Dort mussten wir nur der breit getrampelten Autobahn unserer Vorgänger folgen die einige offensichtliche Spaltenzonen umging und sich so den Gletscher hinaufwand. Mit Spalten hatten wir auf dieser Spur keine Probleme, da so viel Schnee auf dem Gletscher lag, dass alles fast eben war. Mittags kamen uns zwei von den „Kaliforniern“ entgegen. Sie schienen zum Basislager zu laufen und grüßten kurz. Wir erreichten gegen Ende des Tages das Camp 7.800 (2380m), wo wir eine verlassene Schneemauer vorfanden, die uns erlaubte unsere Zelte einfach nur hineinzustellen. Vor dem Lager 7.800 ging es das erste Mal merklich aufwärts auf dem Gletscher und nach dem Lager folgte der Ski Hill. Dort steilte der Gletscher nochmals stärker auf- ein idealer Skihang eben.
Wir hatten für die Passage zum Lager 9.600 (2930m) eigentlich einen so genannten „single carry“ (einfacher Transport, wir nehmen also alle Sachen auf einmal mit) geplant. Als wir den Ski Hill sahen entschieden Christoph und ich uns aber die Vorräte auf den Schlitten doch abends noch höher zu bringen und so am nächsten Tag den Ski Hill nur mit „leichtem“ Gepäck gehen zu müssen. Wir luden uns also zwei Schlitten voll und machten uns um 20:00 Uhr auf den Weg. (Man muss wissen, dass es in Alaska um diese Jahreszeit fast rund um die Uhr hell ist, nur für ca. zwei Stunden herrscht so was wie Dämmerung). Am Ski Hill kamen dann die ersten Spalten auf dem Weg zum Vorschein. Sie sahen nur aus wie kleine Senken im Schnee, aber wenn man zur Seite schaute sah man meist wie einige Meter weiter die Senke sich zu einer 5-10m breiten, offenen Spalte wandelte! Wenn man dann überlegte, dass man da gerade draufstand, brauchte man plötzlich doch keine Pause mehr.
Wir zogen also die Schlitten den Hügel hinauf und dann noch einen und kamen schließlich zu Lager 9.600, wo um 22:00 die „Kalifornier“ ruhig in ihren Zelten schlummerten. Zum Glück hatten wir bei den Vorräten auch den Sack mit den Riegeln und so aßen wir erst mal eine Tafel Schokolade bevor wir das Loch für unsere Vorräte gruben.
Die Amerikaner nennen diese Vorräte „Cache“ und das Vorräte vergraben „cachen“, ich werde diese Begriffe verwenden, weil ich die ganze Zeit so geredet habe. Unser Cache mussten wir ca. einen Meter tief vergraben damit es nicht von Raben ausgegraben und gefressen oder vom Wind freigeblasen wurde, am Ende markierten wir es mit den Wands. An ein Wand kam der Markierungsaufkleber auf dem stand wem das Cache gehörte. Fehlte der Aufkleber, wurde es vom NPS ausgegraben und entsorgt...
Anschließend packten wir unsere Schaufeln wieder ein und fuhren angeseilt mit Schlitten in der Mitte zurück zum Lager 7.800 ab, wo uns Silke mit unserem Abendessen erwartete.
Der nächste Tag brachte schönes Wetter und wir zogen gemütlich weiter den Gletscher hinauf, immer Richtung Kahiltna Pass, der das Ende des Kahiltna Gletschers markiert. Wir rechneten nun mit dünneren Schneebrücken über den Spalten, vor allem auf dem Ski Hill, deshalb lief ich als erster, da Silke und Christoph bei einem Spaltensturz von mir am Ende der Seilschaft bergab wahrscheinlich keine Chance gehabt hätten, diesen zu halten (hängt ja immer noch der Schlitten mit dran...). Allerdings stellte sich das schwieriger heraus als gedacht, wir liefen ein sehr langsames Tempo um unserem Körper mehr Zeit für die Höhenanpassung zu geben. So lange ich hinten lief, konnte ich auch ganz gut vor mich hin laufen. Als Seilerster jedoch wollte ich immer wieder schneller laufen. Das ging natürlich nicht wegen dem Seil und so zog ich letztendlich über das Seil den Großteil der drei Schlitten, was auf die Dauer ziemlich schlaucht, denn ich zog ja nur mehr, mein optimales Tempo konnte ich trotzdem nicht laufen. Also entschieden wir uns nach dem Ski Hill es ohne Seil zu versuchen. Das war für mich zwar wie eine Befreiung, nur das ich darauf dann leider viel zu schnell lief und bei der nächsten Pause Christoph meinte, dass ich so garantiert höhenkrank würde. Deshalb beschlossen wir, dass es am besten wäre wenn ich wieder am Ende ginge, die Steilheit wurde auch wieder weniger und so packten wir das Seil wieder aus.
Am Lager 9.600 angekommen beratschlagten wir kurz, denn wir wussten noch aus dem Basislager, dass für den nächsten Tag schlechtes Wetter angekündigt war. So entschieden wir uns unseren Zeitplan zu überholen und noch zum Lager 11.000 (3350m) aufzusteigen, wo dann sowieso ein Ruhetag geplant war.
Gesagt, getan, nach einem ziemlich langen Tag kamen wir um 19:30 Uhr im Lager 11.000 an und stellten dort unsere Zelte auf. Bei Nudeln in Soja-Bolognese mussten wir feststellen, dass die amerikanischen Gruppen nicht nur im Basislager sondern auch auf 3300m noch grillten. Die „Kalifornier“ waren auch heute hierher umgezogen und planten ebenfalls einen Ruhetag im Lager.
Unser Ruhetag am 12.05. brachte tatsächlich bedeckten Himmel mit Schneefall und so blieben wir den Vormittag über in den Zelten und schmökerten in unseren Büchern. Um unsere Höhenanpassung feststellen zu können, maßen wir jeden Morgen unseren Ruhepuls. Genau heute war meiner um 15 bpm nach oben gewandert, mein Körper war also noch nicht angepasst und benötigte den Ruhetag.
Christoph erzählte, dass spät abends noch eine Seilschaft vorbeigekommen war. Sie hatten berichtet, dass die Temperatur am Gipfel bei durchschnittlich -45°C lag und dass am Nachmittag zwei Kletterer am Denali Pass tödlich abgestürzt waren. Wir hatten den Hubschrauber gehört und uns noch gefragt, was der wohl da oben gemacht hatte. Die beiden waren allerdings nicht angeseilt gewesen und die Passtraverse noch nicht versichert. Trotzdem war es komisch, da ich wusste: Wir müssen genau da auch vorbei!
Die Nacht auf diesen Tag war insofern für mich eine Premiere, als dass es meine erste Nacht im VBL Sack war. Ein VBL Sack ist wie eine große Mülltüte, in der man im Schlafsack liegt. Er verhindert, dass die ca. 500ml, die man nachts schwitzt in den Schlafsack gelangen (Vapour Barrier Liner). Irgendwo im Schlafsack ist bei den Temperaturen hier oben nämlich die 0°-Grenze und dort würde der Schweiß dann kondensieren und gefrieren, was auf die Dauer, wenn der Schlafsack wegen schlechtem Wetter nicht gelüftet und getrocknet werden kann, zum Isolationsverlust führt. Das gleiche Prinzip benutzten wir auch als Socken, da gerade die Füße in den warmen Plastikschuhen sehr viel schwitzen. Es war also meine erste Nacht im VBL und ich muss sagen, es war nicht halb so schlimm, wie man es sich vorstellt! Im Gegenteil, es hatte viele Vorteile und der größte davon war, dass ich es immer sofort mollig warm hatte!
Es schneite den ganzen Tag und so gingen Silke und ich erst abends zu den „Kaliforniern“ um uns nach dem Wetter zu erkundigen. Eine Rangerpatrouille lagerte direkt neben ihnen und hatte über spezielle Funkgeräte Kontakt zum Basislager (von dort wurde jeden Abend der Wetterbericht durchgegeben aber mit unserem CB Funkgerät brauchten wir fast Sichtverbindung um etwas zu empfangen). Wie jede größere Gruppe hatten auch sie sich ein Kochzelt mitgenommen. Dort trafen wir noch eine holländische Zweierseilschaft die im schlechten Wetter umgekehrt und ins Lager zurückgekommen war, so wie alle Seilschaften an diesem Tag. Die Kalifornier (ich lass die „“ jetzt weg, hat ja wohl jeder verstanden, dass es keine Kalifornier sind, oder?) erzählten uns, dass ihr Gruppenführer mit seinem Vater umdrehen musste, da dieser bereits im Lager 7.800 Probleme hatte und dass sie dann wohl beide einfach wieder ausgeflogen seien, was die Gruppe allerdings erst von den Rangern erfahren habe...Sie wollten die Sache aber trotzdem weiter durchziehen.
13.05., mein Ruhepuls war wieder normal! Aber wir stiegen trotzdem noch nicht höher, denn wir mussten erst unser Cache vom Lager 9.600 heraufholen um weiter zu können. Der Morgen war sonnig und so stauten sich am Motorcycle Hill, der direkt hinter dem Lager 11.000 beginnt und 300m hoch ist, so um die zehn Seilschaften (er heißt so, weil er aussieht wie die Hänge die Motocrossfahrer so weit wie möglich hochzufahren versuchen, d.h. er wird nach oben immer steiler). An solchen „Engstellen“ wurde einem immer wieder bewusst, wie viele Menschen eigentlich unterwegs waren. Auf dem weitläufigen Gletscher war es gar nicht so aufgefallen.
Christoph und ich machten uns nach dem Frühstück, das wie immer aus einer Schale Müsli bestand, auf den Weg um ins Lager 9.600 abzufahren, was mit dem Neuschnee der vergangenen Tage relativ spaßig war. Dort kam dann allerdings der weniger spaßige Teil: Wir mussten ja jede Menge Lebensmittel und einige Benzinkanister ins Lager 11.000 hochbringen. Als auch das nach ca. dreieinhalb Stunden erledigt war, berichteten absteigende Seilschaften von guten Wetterbedingungen am Windy Corner. So entschieden wir uns abends gleich noch zu versuchen, ein Cache so weit wie möglich hoch zu bringen.
Das Windy Corner (windige Ecke) ist wirklich eine Felsecke, unterhalb des Westgrates. Hier teilt sich der Gletscher, der von der West Buttress herabzieht. Ein Teil fließt nach Südwesten und bricht zum North East Fork des Kahiltna Gletschers ab und der andere windet sich um diese Ecke herum Richtung Westen. Er ist an dieser Stelle „nur“ ca. 100m breit. Bei schlechtem Wetter kommt es hier sehr schnell zu extremen Winden (100-120km/h sind normal). Bei noch höheren Windgeschwindigkeiten wird die Ecke oftmals unpassierbar. Andererseits fällt der Gletscher kurz danach steil zur Seite hin ab und so kann es hier auch eng werden, wenn die großen Seilschaften anfangen zu sichern.
Wir packten also einiges von den Vorräten wieder ein und machten uns auf den Weg den Motorcycle Hill hinauf. Am Ende dieses Hanges kamen wir auf den Grat der vom Kahiltna Pass ostsüdöstlich zur West Buttress führt und hatten gerade im Abendlicht einen wunderbaren Blick hinab auf den Peters Gletscher. Er schließt am Kahiltna Pass an den Kahiltna Gletscher an und fließt nach Nordosten.
Weiter ging es über eine Schneespur auf Blankeis am Squirrel Point vorbei.
Squirrel ist Englisch für Eichhörnchen und der Punkt heißt so, weil hier 1993 für einige Wochen ein Eichhörnchen lebte. Es war wahrscheinlich im Gepäck von irgendwelchen Bergsteigern mit eingeflogen und ernährte sich von den dort vergrabenen Caches.
Nach dem Squirrel Point mussten wir kurz flach unterhalb der West Buttress entlang und dann wieder einen Hang hoch zum Windy Corner. Allerdings hatte in den vergangenen Stunden der Wind wieder zugenommen. So erwarteten uns unterhalb des Windy Corner heftige Sturmböen, die uns immer wieder zu Boden rissen. Als uns also die Schneekristalle munter um die Ohren flogen -oder auch direkt ins Gesicht- versuchten wir unser Cache so gut wie möglich zwischen einigen Steinen auf dem Gletscher zu verstauen und sicherten es mit einer Eisschraube, Schnee zum Vergraben gab es hier sowieso nicht mehr. Mir flog aus Unachtsamkeit noch ein Packbeutel weg (er ruhe in Frieden), wahrscheinlich auf den Peters Gletscher... Um kurz vor Mitternacht kamen wir endlich wieder ins Lager 11.000 zurück und wollten müde in unsere Betten fallen, ging aber nicht, hatten ja nur Schlafsäcke dabei. Beim Ausziehen stellte ich noch fest, dass der Kleber, mit dem ich meine Schuhsohle früher einmal repariert hatte, sich der Kälte ergab und dass die VBL Socken leider an den Nähten etwas Feuchtigkeit durchließen und so der Innenschuh feucht wurde. Wir versuchten dieses Problem in den folgenden Tagen durch Gefrierbeutel über den VBL Socken zu lösen, aber selbst 6l Tüten waren leider nicht kompatibel mit Schuhgröße 50...
Das Wochenende begann wieder einmal mit Schneefall und so ließen wir die Kalifornier weiterziehen und warteten den Vormittag in den Zelten ab. Als es mittags dann doch noch aufklarte packten auch wir zusammen, vergruben noch ein Cache im Lager 11.000 und zogen gen Lager 14.200 (4330m), dem so genannten Medical Camp. Es heißt so, weil dort Ranger stationiert sind und es ein Zelt für medizinische Höhenforschung gibt (wird aber oft als hochgelegene Krankenstation missverstanden).
Während des Teilstücks vor Windy Corner waren wir teilweise über den Wolken unterwegs, das sah sehr beeindruckend aus. Wir erreichten Windy Corner wieder gegen Abend und wieder erwartete uns ein relativ starker Wind. Das Problem war, dass er immer wieder in Böen kam und deshalb unberechenbar war. Das eigentliche Eck passierten wir langsam und immer wieder gegen den Sturm ankämpfend. An der folgenden Traverse nutzten wir dann eine „running belay“, das ist eine mitlaufende Sicherung, in die der Erste das Seil einhängt, die die Mittlere umhängt und die der Letzte dann wieder abbaut.
Es folgte bald wieder flacheres Gelände auf dem Gletscher, allerdings waren hier riesige Spalten in einem noch viel größeren Zickzack zu umgehen. Manche von ihnen waren so groß, dass locker die ganze Seilschaft draufstand (oder eben auch hineingepasst hätte...). Auf dem flacheren Gletscher gewannen wir nur langsam an Höhe. So zog sich der Weg in die Länge bis wir schließlich um ziemlich genau Mitternacht das Medical Camp auf einer Anhöhe vor uns auftauchen sahen.
Im Lager selbst waren auf Grund der vielen Seilschaften die das schöne Wetter genutzt hatten natürlich keine Mauern mehr frei. Wir hatten keine Lust noch welche zu bauen und da die Nacht sowieso schon so gut wie um war, beschlossen wir, dass es keinen Sturm mehr geben würde und stellten unsere Zelte einfach ohne Mauer auf. Da es aber immer noch windete, war alles im Zelt mit einer feinen Schneeschicht überzogen und ich fragte mich, wie das alles wieder trocknen würde. Ich hatte den Tag über die VBL Socken nur bis zum Knöchel gezogen, da eine Wunde am Schienbein von der Anreise nicht richtig verheilen wollte und so natürlich feuchte Socken und Innenschuhe was mir die Nacht über auch noch kalte Füße bescherte. Erst in den Morgenstunden wurden sie langsam wärmer.
Der 15.05. begann für mich wieder mit erhöhtem Ruhepuls, diesmal um 10 bpm und nach der kurzen, unruhigen Nacht fühlte ich, dass mein Körper heute keine Heldentaten vollbringen wollte. Ich fühlte mich antriebslos, hatte wenig Appetit und einen schweren Kopf, ein Glück waren die nächsten zwei Tage Ruhetage. Wir erfuhren, dass das Wetter im Medical Camp schon seit acht Tagen schlecht war, so lange warteten einige der Seilschaften hier schon.
Im Laufe des Tages kamen noch zwei andere Deutsche vorbei, Claudia und Harald, von denen wir über Christoph schon wussten, dass sie auch hier sein würden.
Den Tag über bestätigte sich der Eindruck, dass das Medical Camp auch das Camp des großen Wartens war, einige Teams übten sich im Hacky Sack spielen, andere im Pickelzielwerfen und die meisten hatten sich kleine Burgen aus Schnee gebaut, in denen sie wohnten.
Wie schon erwähnt gibt es im Medical Camp auch so etwas wie eine Toilette, allerdings sind diese beiden Einrichtungen mitten im Lager, voll einsehbar und fast ohne Windschutz...
Ich schaute wieder bei den Kaliforniern vorbei und begann eine kleine Schneemauer ums Zelt zu ziehen, was allerdings nicht besonders gut gelang, da sich der Schnee partout nicht in Blöcke sägen lassen wollte.
Durch den Schneefall der letzten Nacht hatte ich Unmengen von Kondenswasser im Zelt und da heute morgen die Sonne schien, beeilte ich mich aus dem Zelt zu kommen, auch um einige Sachen zu trocknen. Allerdings bedeutet Sonnenschein auf 4300m noch lange nicht Wärme und so war es recht frisch draußen, immerhin, mein Ruhepuls war fast wieder normal. Beim Aufstieg zum Medical Camp war ich am Motorcycle Hill mit einem Fuß in eine Spalte eingebrochen und beim anschließenden Ausgleichsschritt hatte ich mir mit dem Steigeisen ein Loch ins linke Hosenbein getreten. So machte ich es mir draußen so bequem wie möglich und nähte meine Hose provisorisch bei guter Sicht auf den weiteren Verlauf unserer Route. Doch das gute Wetter nutzte nicht nur ich, sondern auch die Seilschaften die gewartet hatten. Hinter dem Medical Camp geht es immer steiler einen Hang hinauf, insgesamt 600hm bis auf den Grat der West Buttress. Dieser Hang, die Headwall, ist auf den letzten 250hm mit Fixseilen versichert. Und genau da ist die Crux. Da die geführten Seilschaften eine ziemlich komplizierte Fixseiltechnik haben und so viele Menschen dort hoch wollten, gab es einen riesigen Auflauf am Anfang der Fixseile. Einige Seilschaften drehten sogar wieder um, weil sie zu lange warten mussten. Das alles konnte ich wunderbar von meinem Platz vor dem Zelt beobachten, allerdings hatte ich gleichzeitig Bedenken, denn durch dieses Nadelöhr würden wir auch noch müssen...
Andererseits nutzten auch die Ranger das schöne Wetter und stiegen einen Teil der Headwall auf um ihn danach wieder mit Ski abzufahren was sehr schön anzusehen war. Einer wurde seiner Vorbildfunktion aber nicht ganz gerecht und fuhr den doch ordentlich steilen Hang auf ca. 250hm spurgerade ohne einen einzigen Schwung ab.
Mittags schließlich nutzten auch Christoph und ich den Tag, indem wir zu unserem Cache hinterm Windy Corner abstiegen um es ins Medical Camp zu bringen. Das erste Mal durften wir Windy Corner fast ohne Wind erleben (ganz ohne gab es das letzte Mal während der Eiszeit...). Nur das Tragesystem meines Rucksackes spielte mir einen Streich und so hingen beim Aufstieg ca. 25kg Essen und Benzin nur an meinen Schultern. Das führte dazu, dass ich den Rest des Tages damit verbrachte, mich wieder mit meinem Nacken zu versöhnen.
Um 20:00 Uhr gingen Silke und ich zu den Rangern. Im Medical Camp muss man nicht sein eigenes Funkgerät bemühen, sondern kann einfach bei den Rangern mithören und wenn was mit der Übertragung nicht klappt wissen die wenigstens noch, was am Vormittag vorhergesagt wurde.
Danach gingen wir drei noch zu den Kaliforniern und unterhielten uns eine Zeit lang mit denen. Sowohl für die Amerikaner als auch für die Holländer und Franzosen im Zelt schien es selbstverständlich zu sein, Diamox zur schnelleren Höhenanpassung zu schlucken. Sie hatten deshalb auch einen engeren Zeitplan (Diamox ist ein Medikament, dass zu einem verbesserten Gasaustausch, einer höheren Sauerstoffsättigung und vermehrter Urinausscheidung führt. Es steigert aber auch das Thromboserisiko...). Wir hatten von „unserem“ ärztlichen Berater nur eine Cortisonlösung zur Notfalltherapie mitbekommen und verließen uns sonst auf unsere natürliche Höhenanpassung, was allerdings mehr Zeit benötigt, da die Stoffwechselprozesse im Körper relativ langsam ablaufen.
Der Abend war klar und kalt. Christoph und Silke nutzen das sanfte Licht um zu fotografieren. Mt. Foraker und Mt. Hunter waren noch von der Sonne beschienen, während das Medical Camp bei -25°C bereits im Schatten der West Buttress lag.
Damit das Wetter nicht zu eintönig wurde, schneite es am 17. 05. zur Abwechslung mal wieder und so blieben wir den Vormittag über in den Zelten. Das sah bei mir meist so aus, dass ich halb im Schlafsack lag und entweder Tagebuch schrieb, irgendwelche Texte, die ich finden konnte, las (Medikamentenbeilagezettel, Kocherbedienungsanleitung, Pflegeanleitung im Zelt,...), mir eine neue Liegeposition suchte, über mich und die Welt sinnierte oder das Innenleben des Zeltes umgestaltete.
Damit kam ich aber selten über den Tag und spätestens wenn ich auf die Toilette musste, musste ich wohl oder übel doch aus dem Zelt. Bei einem dieser Toilettengänge habe ich dann gesehen, dass einige Seilschaften ein Volleyballnetz gebaut hatten und dort nun Hacky Sack spielten. Ein Radio hatte auch jemand dabei und dazu verteilten sie die Vorräte von einem Bergsteiger der aus dem Hochlager abgestiegen war. Ich blieb noch bei den Kaliforniern hängen und später gab mir Silke ihren Krimi („Gletschergrab“-wie passend...?). Der war so spannend, dass die 370 Seiten bis zum nächsten Morgen dran glauben mussten (nein, ich habe trotzdem geschlafen! Ja, mehr als eine Stunde).
Nach so vielen Ruhetagen musste es nun weitergehen, schließlich würde der Gipfel nicht zu uns herunterkommen. Die Sonne schien heute mehr oder weniger und so machten wir uns gegen 14:00 Uhr auf den Weg um ein Cache ins Hochlager auf 17.200 Fuß (5243m) zu bringen. Sonniger Tag und Fixseile bedeutet Stau! Auch als wir am späten Nachmittag zu den Fixseilen kamen mussten wir noch einige Seilschaften abwarten bis wir uns dann hochziehen durften.
Hier an den Fixseilen bekam ich die Höhe zum ersten Mal so richtig zu spüren. Als ob mich ein Gummi immer wieder zurückziehen würde kam es mir vor, während ich mich syssiphus-ähnlich die Fixseile hocharbeitete. Am Ende der Headwall, auf 16.200 Fuß (4940m) angekommen, war ich so erschöpft, dass ich erst einige Minuten Pause brauchte, ehe ich den beiden ein Stück den Grat entlang in den Windschatten eines Blockes folgen konnte. Dort machten wir Pause und beschlossen das Cache an Ort und Stelle zu vergraben, da es zum einen noch ein weites Stück ins Hochlager war und zum anderen meine Lungen bei jeder größeren Bewegung nach dickerer Luft verlangten. Während wir auf dem Grat rasteten kam die holländische Seilschaft vorbei. Sie waren beide etwas fertig mit den Nerven, da er ausgerutscht war als sie gerade eine Zwischensicherung eingehängt hatte! Sie hingen beide voll im Seil und stiegen nun langsam und mit äußerster Vorsicht weiter ab.
Auch wir steuerten nun wieder das Medical Camp an und bergab waren die Fixseile doch deutlich angenehmer.
Das Cache auf dem Grat war mit seinen 4940m ein neuer Höhenrekord für mich.
Am folgenden Morgen, dem 19.05. war noch mal Ruhetag angesagt und so schlief ich bis die Sonne das Zelt aufheizte und die Luft stickig wurde. Im Medical Camp wurde gerade eine Testreihe durchgeführt, die den Zusammenhang zwischen der akuten Höhenkrankheit und einer durch Kochen im Zelt erhöhten CO Konzentration im Blut herausfinden wollte. Dazu hatten sie gestern schon Freiwillige im Lager gesucht und da für unseren heutigen Ruhetag nur ein kleiner Ausflug geplant war, gingen wir nach einem gemütlichen Frühstück zum Medical Tent, wo wir einige Fragen beantworteten und noch etwas Blut für einen Test spendeten. Neben der CO Sättigung wurde auch gleich noch die Konzentration an roten Blutkörperchen gemessen, (das sind die roten Männchen mit dem Sauerstoffrucksack in „Es war einmal das Leben“...) was recht interessant war. Es kam heraus, dass Silke die höchste CO Konzentration hatte, Christoph eine mittlere und meine gleich null war. Dafür hatte ich die höchste Konzentration von roten Blutkörperchen, 17,4%, erhöht war sie bei uns allen. Das zeigt dass der Körper sich an die Höhe anpasst.
Wir löcherten die Ärztin dann noch mit einigen anderen Fragen und kamen schließlich auch mit Gordi, einem der Ranger, ins Gespräch. Er erzählte von seinen Aufgaben und den Rettungstechniken und –taktiken die sie benutzen und wie fast alles an diesem Berg sind auch die den veränderten Erfordernissen angepasst.
Dann machten wir uns auf den kurzen Weg zum „Edge of the World“, das ist die Ecke wo das Thayer Basin, in dem das Medical Camp steht, nach Süden zum North East Fork des Kahiltna Gletschers abbricht. Durch die fast 1500m Höhenunterschied hätte man hier einen sehr guten Ausblick auf die umliegende Alaska Range und speziell auf die West Rib Route des Denali. Leider zog es immer wieder zu als wir an der Kante standen und so war die Aussicht meist auf wenige Meter begrenzt.
Als wir nachmittags wieder ins Lager kamen sahen wir gerade eine italienische Zweierseilschaft absteigen, sie hatten heute ihre letzte Gipfelchance genutzt und so waren sie morgens um 02:00 Uhr vom Medical Camp zum Gipfel gestartet und nun nach 16 Stunden wieder zurück. Und weil der Tag ja noch nicht um war wollten die beiden noch so weit wie möglich runter.
Auch ein junger Schwede war heute aus dem Hochlager abgestiegen und hatte mir sein Studentenfutter mit Schokoladenstückchen überlassen.
Heute wollten wir das wieder etwas bessere Wetter nutzen und ins Hochlager aufsteigen, da sich an den Fixseilen aber wieder die Seilschaften stauten hatten wir keine Eile mit dem Packen. Um 15:30 Uhr zogen wir schließlich los und als wir am späten Nachmittag an den Fixseilen ankamen hatte sich der Stau aufgelöst. Da ich nun ja wusste, dass ich hier langsam machen musste, stieg ich an den Fixseilen getrennt von den anderen auf und kam erst eine halbe Stunde nach Christoph und Silke auf dem Grat an. Dort trafen wir die Kalifornier wieder, sie waren alle am Gipfel gewesen und stiegen gerade aus dem Hochlager ab. Wir verabschiedeten uns von ihnen und wünschten noch einen guten Abstieg. Auf dem Grat setzten mir vor allem die Steilstücke ziemlich zu, aber da um 20:00 sowohl Wetter als auch Licht auf dem Grat gigantisch waren machte Christoph viele Fotos und so hielten wir immer wieder an. Das Hochlager auf 17.200 Fuß sahen wir vom Grat aus schon recht früh, allerdings hatten wir da noch einen langen Weg durch verschneites Blockgelände vor uns und so erreichen wir die ersten Zelte gegen Mitternacht.
Da sich die letzten Meter noch so gezogen hatten und ich ziemlich erschöpft war, musste ich erst mal warme Sachen anziehen und mich etwas aufwärmen. Zelt erschöpft aufstellen konnte ich in der Zwischenzeit ganz gut und so lag ich nach einer halben Stunde im Schlafsack und „genoss“ meine erste Nacht auf über 5000m, natürlich wieder ein neuer Höhenrekord für mich.
Ergänzung von Silke:
Christoph und ich hatten es uns gerade im Zelt gemütlich gemacht als Geoff, der solo die West Rib Abkürzung geklettert war und nun über die West Buttress Route wieder abstieg, bei uns im Zelt „anklopfte“. Er war total durchgefroren und fragte, ob er sich bei uns im Zelt aufwärmen und einen heißen Tee kochen dürfte. Um 6:00 Uhr früh war er im Medical Camp aufgebrochen, hatte sich in der West Rib Route teilweise in das Messner Couloir verirrt und war über den Gipfel nun gegen 1:00 Uhr früh im Hochlager angekommen. Als er nach ca. 1 Stunde wieder aufbrach wünschten wir ihm alles Gute für den Abstieg und bedauerten den armen Kerl, der völlig übermüdet alleine in der Kälte absteigen musste.
Allerdings konnte ich noch nicht einschlafen da meine Füße wieder kalt waren (inzwischen glaube ich, dass ich da ein Durchblutungsproblem hatte) und außerdem mein Kopf tiefer lag als meine Beine. Normal ist das kein Problem für mich, aber in der Höhe verstärkte es den sowieso schon unangenehmen Druck auf den Kopf und so drehe ich mich noch mal um im Zelt.
Auf dem Grat war es im Abendlicht der Sonne noch ziemlich warm gewesen, aber als wir das High Camp erreichten war sie dann doch weg und ohne Sonne war es hier richtig kalt, zumal immer noch der ewige Wind auf dem Grat dazukam.
Mein Ruhepuls war wieder um 18 Schläge erhöht als ich aufwachte, mir war etwas übel und ich musste immer wieder schneller atmen um genug Luft zu bekommen. Mir war eigentlich warm im Schlafsack, nur meine Füße waren kalt und erst nachdem Christoph mir eine Flasche voll heißes Wasser brachte konnte ich sie davon überzeugen warm zu werden. Ich hatte den ganzen Morgen keinen Appetit und aß statt dem Frühstücksmüsli nur eine Packung Neapolitaner.
Ergänzung Silke:
Nach einer unruhigen Nacht wurden wir schon um 8:00 Uhr munter (munter ist vielleicht etwas übertrieben). Christoph steckte seinen Kopf aus dem Zelt, da er dachte dass Ali dort war. Es war jedoch Chris aus Arizona, der nächste Sologänger, der sich völlig verfroren bei uns im Zelt aufwärmte und den wir später noch einige Male trafen.
Als Christoph später unser Cache holen wollte, fühlte ich mich noch nicht besser und so wollten Silke und er es holen. Um 16:30 Uhr zogen sie los, ich wollte Kochen und das Lager verbessern, um 17:00 Uhr ist Silke allerdings schon wieder da, weil Christoph schneller gehen wollte und sie nicht konnte. Deshalb bauten Silke und ich dann an der Schneemauer und Christoph holte das Cache alleine.
Der Wind wurde immer stärker und als Christoph wiederkam meinte Silke, dass ihr Innenzelt gerade gerissen sei und sie das Nähzeug bräuchte. Während sie das Innenzelt nähte, bauten Christoph und ich die Schneemauer weiter - allerdings waren wir uns nicht sicher ob sie und das Zelt halten würde. Deshalb machten wir uns daran, die Sachen in den Zelten zusammenzupacken um im Notfall in mein Zelt ausweichen zu können. Das war letztendlich zum Glück nicht nötig und so verbrachten wir den Abend wieder in den Zelten. Da der starke Wind den Schnee überall ins Zelt drückte, konnten wir kein Abendessen kochen und alles in meinem Innenzelt war mit einer dicken Schneeschicht überzogen. Irgendwann schlief ich trotz der Lautstärke des Windes ein.
Am nächsten Tag, 22.05., Ruhepuls 10 bpm zu hoch, wachte ich in einem stickigen, sonnen beschienenen Zelt auf und zog mich so schnell an, dass ich mich, als ich aus dem Zelt kam erst, mal hinsetzen musste, um durchzuschnaufen. Die vorherigen Nächte hatte ich es schon vermutet und letzte Nacht wurde mir zur Gewissheit, dass meine Isomatte Luft verlor. Mit zweimal Aufblasen kam ich aber noch durch die Nacht, auch wenn es in dem engen Zelt sehr umständlich war. Der Tag brachte schönes Wetter, nur unterhalb schneite es und so kamen keine weiteren Gruppen ins Hochlager. Nachdem wir vom Ranger erfahren hatten, dass der morgige Tag wohl der letzte mit etwas besserem Wetter sein würde, entschieden wir, dass wir morgen einen ersten Gipfelversuch starten würden und verbrachten den restlichen Tag mit Packen und Zeltplatz verbessern.
Um kurz nach 7:30 Uhr weckte mich Silke, ich zog mich an und packte die letzten Sachen ein, hier oben dauerte das mit Frühstück einige Stunden. Um 9:00 Uhr ging eine kanadische Seilschaft los und um 10:45 Uhr waren auch wir fertig.
Zuerst ging es einige Meter hinab auf den Gletscher und dann durch eine Senke gegen den Bergschrund. Ab dort mussten wir den recht steilen Gletscher parallel zu den Spalten hinüber zum Denali Pass (5547m) traversieren. Auf dieser Traverse waren die zwei Kletterer abgestürzt, nun hatte der NPS sie mit Schneeankern versichert. Diese sind alle 20-25m im Schnee versenkt und werden einfach in das Seil der Seilschaft eingehängt um einen Totalabsturz zu verhindern. Der Weg bis zum Bergschrund ging für mich ohne Probleme, als es allerdings steiler wurde merkte ich, dass ich nicht richtig fit war und häufig Pausen brauchte. Auf der Traverse wurde es, je höher wir kamen, immer schlimmer. Am Denali Pass konnte ich nur noch 15-20m laufen bevor ich völlig erschöpft eine Pause brauchte.
Wir rasteten am Pass und diskutierten, ob ein Weitergehen mit mir sinnvoll wäre. Schließlich sagte ich, dass ich nicht weitergehen möchte. Da das Stück vor dem Denali Pass allerdings steil und voll Spalten ist bedeutete dies, dass wir alle umdrehen mussten. So machten wir uns kurze Zeit später auf den Rückweg zum Hochlager.
Dort angekommen ging es mir schon besser und so beschlossen wir gleich noch ins Medical Camp abzusteigen, da für die nächsten Tage schlechtes Wetter angesagt war. Wir packten also alles zusammen und machten uns um 16:00 Uhr auf den Weg. Da heute Seilschaften ins Hochlager aufstiegen, kam es am Grat zum Stau und wir mussten eine halbe Stunde warten.
Um 18:30 Uhr waren wir wieder im Medical Camp und stellten dort unsere Zelte auf. Hier ging es mir wieder gut, nur waren wir vom Abstieg natürlich angestrengt und so fielen wir nach dem Abendessen sofort in die Schlafsäcke. Der Ranger aus dem Hochlager war heute auch abgestiegen. Als Silke ihm erzählte, dass wir umdrehen mussten meinte er: “ These are the best decisions. Good to see you down here.“
Den 24.05. verbrachten wir im Medical Camp, da Silke und Christoph sich noch nicht sicher waren ob wir ganz absteigen sollten oder ob sie es noch mal versuchen wollten. Wir füllten unsere Trinkvorräte wieder auf und spannten die Zelte noch mal besser ab. Nachmittags beschlossen die beiden, dass sie es morgen noch mal versuchen und zwischen 0:00 und 3:00 Uhr losgehen würden. Sie wollten es direkt vom Medical Camp ohne Nacht im Hochlager versuchen da nur für den morgigen Tag besseres Wetter angekündigt war.
Wir gingen früh zu Bett und ich stellte mir meine Uhr um zu sehen, wann sie losgingen, damit ich abschätzen könnte, wann sie wiederkommen würden.
Um 0:00 Uhr hörte ich ihren Kocher surren und sie beide packen, um 5:00 Uhr sah ich sie an den Fixseilen der Headwall.
Wir wollen es noch mal probieren! Nachdem wir beim ersten Versuch den Gipfel des Denali vom Hochlager aus zu besteigen umdrehen mussten, da es Ali nicht gut ging, wollen wir uns zu zweit noch mal auf den Weg machen. Diesmal wollen wir allerdings gleich vom Medical Camp aus los.
Die Wettervorhersage hört sich gut an. Um zwei Uhr früh gehen wir los. Das ansonsten lebhafte Medical Camp ist völlig ruhig und wir haben den ganzen Aufstieg an den Fixseilen und der Buttress für uns allein. Es ist kalt, aber beim Aufstieg wird uns gleich wärmer. Wir kommen gut voran, an der Buttress stören uns noch keine Entgegenkommenden und als wir am Hochlager vorbeikommen bereiten sich dort die Leute schon zum Aufbruch vor. Die Sonne kommt gerade raus und wir genießen die ersten warmen Strahlen. Leider ist der gesamte Aufstieg bis zum Denali Pass erneut im Schatten und wir sind ziemlich durchgefroren als wir oben ankommen. Hier oben machen wir erst mal Pause, ziehen unsere warmen Daunenhosen und Daunenjacken an und kochen uns heiße Suppe und Tee.
Die Leute vom Hochlager überholen uns bei dieser Pause. Der Weg bis hoch zum Football Field zieht sich gewaltig und jetzt merken wir auch die Höhe und die Höhenmeter, die wir bereits hinter uns haben. Die drei Schweizer, die neben uns im Medical Camp ihr Zelt haben überholen uns wie nichts. Sie hatten eigentlich nur ihr Depot ins Hochlager bringen wollen und haben sich dann kurzfristig dazu entschlossen den Gipfel doch auch noch gleich zu probieren. Das Football Field überqueren wir leicht, es hat ja kaum Steigung, aber es kommt immer mehr Wind auf, das Wetter ist ansonsten jedoch gut. Liegt es daran, dass wir uns dem Gipfel nähern? Der letzte Anstieg bis zum Kahiltna Horn hat es in sich, der Schnee ist weich und bei jedem Schritt rutscht man wieder ein Stück zurück. Nach ein paar Schritten brauche ich wieder eine Pause, obwohl wir sowieso sehr langsam sind. Zwei Amerikaner überholen uns hier, die beiden sind auch vom Medical Camp aus gestartet. Zu guter Letzt stehen auch wir am Kahiltna Horn. Dort kommen uns die Schweizer wieder entgegen, denen wir einen schönen Gruß an Ali auftragen. Obwohl es immer stärker zuzieht ermuntern uns die beiden Amerikaner noch das kurze, ausgesetzte Stück bis zum eigentlichen Gipfel rüberzuqueren. Als wir endlich am Gipfel oder zumindest irgendwo in der Nähe davon stehen ist die Sicht schon sehr schlecht und wir haben leider keine Aussicht mehr. Nach einigen Gipfelphotos machen wir uns an den Abstieg. Runter geht es bedeutend leichter als rauf, das ist immer wieder erstaunlich was das ausmacht. Leider kommen wir nach dem Football Field nur noch langsam vorwärts, da die Sicht mittlerweile so schlecht ist, dass wir kaum die Markierungsfähnchen, die den Weg markieren, sehen können. Immer wieder müssen wir stehen bleiben und nach dem nächsten Fähnchen suchen. Irgendwann kommen wir an ein steiles Stück und finden keine Fähnchen mehr, der Wind ist mittlerweile ein ausgewachsener Sturm geworden, der die Gesichtshälfte aus der Richtung aus der er bläst in einen Eisklotz verwandelt. Da wir nicht riskieren wollen vom Weg abzukommen und in ein Steilstück zu geraten beschließen wir ein Notbiwak zu machen. Leider ist der Schnee so hart verblasen, dass sich kaum eine ausreichende Sitzfläche mit der Schaufel herausarbeiten lässt. Irgendwie schaffen wir es in den Biwaksack zu kriechen und uns auf unsere Rucksäcke zu setzen. Unsere Steigeisen ziehen wir aus, um den Biwaksack nicht zu beschädigen. Und dann beginnt wohl die ungemütlichste Nacht meines Lebens. Es ist kalt, der Sturm rüttelt unentwegt am Biwaksack, Christoph bekommt Probleme mit den Nieren und hat ziemliche Schmerzen. Trotz der Kälte, des Lärms und der unbequemen Sitzposition nicke ich ab und zu ein. Zeitgefühl haben wir sowieso keines mehr, aber als es wieder etwas heller wird warten wir sehnsüchtig auf ein Nachlassen des Sturmes. Leider werden wir enttäuscht, aber wir beschließen trotzdem aufzubrechen, da wir es im Biwaksack auch nicht mehr aushalten. Und dann mache ich einen entscheidenden Fehler. Ich will vom Biwaksack zu einer kleineren flachen Stelle gehen um dort meine Steigeisen anzuziehen und rutsche dabei aus. Natürlich hab ich auch meinen Pickel nicht dabei und rutsche ca. 200 m den Hang hinunter. Ich versuche nur meinen Kopf vor dem hartgepressten Schnee zu schützen und als ich zum Halten komme brauche ich erst einige Zeit um mich zu vergewissern, dass ich noch alles bewegen kann. Ich habe Nasenbluten und mein linkes Handgelenk tut weh, ich kann es aber noch bewegen. Das einzige Problem ist nun, dass ich mich mit meinen Booties nicht den Hang hocharbeiten kann, der Schnee ist dermaßen hart und eisig, dass ich auch mit meinen Telemarkschuhen alleine nicht weiter komme. Durch den Sturm hat Christoph nicht mitbekommen, dass ich abgerutscht bin. Nach einiger Zeit wundert er sich wo ich bleibe und bekommt einen Schreck als er mich 200 m weiter unten sitzen sieht. Nachdem er seine Steigeisen montiert hat läuft er runter und vergewissert sich erst mal, dass ich ok bin. Da ich ja nicht vom Fleck komme, muss er alleine den Hang wieder hoch, die Sachen zusammenpacken und wieder zu mir absteigen. Da nun die Sicht besser ist sehen wir, dass wir nicht allzu weit vom Denali Pass biwakiert hatten. Es wäre nicht mehr weit bis in die windgeschützte Querung in Richtung Hochlager gewesen. Nachdem ich mich wieder sortiert habe machen wir uns sehr vorsichtig an den Abstieg, der angewehte Schnee ist tückisch und wir rutschen immer wieder weg, aber glücklicherweise ist das gesamte Stück von den Rangern sehr gut mit Fixpunkten versichert worden und wir kommen gut unten an. Nun sind es nur noch einige hundert Meter bis ins Hochlager. Von dort kommt uns schon ein Empfangskomitee entgegen, die uns unsere Rucksäcke abnehmen, heißen Tee anbieten und unser Seil aufnehmen. Der Ranger hat auch schon nach unten zu Ali durchgefunkt, dass es uns gut geht. Wir sind strohmüde da wir ja schon mehr als 30 Stunden auf den Beinen sind und die Nacht davor, bedingt durch den frühen Aufbruch, kaum Schlaf hatten. Also bekommen wir erst mal ein leerstehendes Zelt und heiße Getränke und können uns ausruhen. Wir schlafen bis zum Nachmittag wie erschlagen und machen uns anschließend an den Abstieg ins Medical Camp. Auf dem Weg runter haben wir ziemlich viel Gegenverkehr und müssen immer wieder warten, bis die Leute an den versicherten Passagen hochgeklettert sind. Beim Abstieg an den Fixseilen gibt es einen Stau, da eine Gruppe Koreaner nur im Schneckentempo vorankommt. Alle sind genervt und da für diesen Tag sowieso keine Leute mehr aufsteigen, benutzen wir das Aufstiegsseil um uns weiter abzuseilen. Wir sind überglücklich als wir uns in unser eigenes Zelt werfen können. Ali hat bereits Essen und Trinken vorbereitet und wir müssen nun unsere Geschichte erzählen.
Ich schlief bis Mittags und der Tag präsentierte sich wie es besser nicht hätte sein können! Eine Schweizer Dreierseilschaft, die neben uns wohnte war um 7:00 Uhr aufgebrochen um ihr Cache ins Hochlager zu bringen. Ich verbrachte den Tag damit immer wieder zu den Rangern zu gehen und mit ihrem Teleskop zu schauen, ob Silke und Christoph schon an der Headwall wären, sie sollten dort ab 17:00 auftauchen. Doch bis abends sah ich sie weder an der Headwall noch hatten sie sich im Hochlager gemeldet.
Um 21:00 Uhr kamen die Schweizer zurück, ich fragte ob sie ihr Cache vergraben konnten, sie bejahten dies. Allerdings hätten sie es gleich wieder mitgenommen. Auf meine Frage weshalb erzählten sie, dass sie noch den Gipfel versucht und auch geschafft hatten, von Christoph und Silke sollten sie mir ausrichten, dass es etwas später würde...
Darauf bot ich ihnen die Suppe an, die ich für die beiden gekocht hatte und ging noch mal zu den Rangern. Ich hatte ihnen erzählt, dass ich auf die beiden wartete und nun, da sie sich immer noch nicht gemeldet hatten, begannen die Ranger im Hochlager die Seilschaften zu fragen, ob irgendjemand sie noch nach den Schweizern gesehen hatte, dabei kam allerdings nichts heraus und so ging ich gegen 01:30 Uhr schlafen.
„We are searching for the third member of the german party.“ hörte ich den Ranger am nächsten Morgen unsere Nachbarn fragen und bis ich angezogen war hatten sie mein Zelt auch schon gefunden. Der Ranger hatte extra seine Assistentin mitgebracht um mir zu sagen, dass es von Christoph und Silke immer noch keine Spur gab und um zu fragen, was die beiden an Ausrüstung dabei hätten und was genau wir abgesprochen hatten. Ich unterhielt mich noch ein wenig mit ihnen und dann warteten wir weiter...
Gegen 9:00 Uhr berichtete der Ranger aus dem Hochlager dass sie eine Zweierseilschaft absteigen sähen und um 9:45 Uhr war schließlich klar dass Silke und Christoph im Hochlager eingetroffen waren und sich dort ausruhten, bevor sie ins Medical Camp kommen würden.
Später erfuhr ich von ihnen, dass sie beim Abstieg knapp unterhalb des Gipfels in das aufziehende Schlechtwetter geraten waren und biwakiert hatten als sie im Whiteout nichts mehr gesehen hatten. Morgens waren sie dann ins Hochlager abgestiegen.
Gegen 18:30 Uhr kommen sie zurück ins Medical Camp, wir essen noch zu Abend und dann freuen sich alle auf ihren Schlafsack.
Wir hatten uns darauf geeinigt auszuschlafen und so stand ich heute, 27.05., erst spät auf. Wir wollten langsam zusammenpacken und dann den Abstieg zum Basislager antreten. Vorher schaute ich den Rangern aber noch bei einer Rettungsübung zu und lernte, wie man auch ohne viel Material schnell einen Verletzten ablassen kann.
Gegen Nachmittag zogen wir los, Windy Corner präsentierte sich noch mal fast ohne Wind und so kamen wir relativ zügig ins Lager 11.000, wo unsere Ski auf uns warteten.
Nachdem alle Schlitten gepackt waren fuhren wir mit Ski weiter ab, allerdings wurde das Wetter wieder schlechter und so strandeten wir schließlich im Whiteout nahe des Lagers 9.000. Wir sahen fast nicht mehr von Fähnchen zu Fähnchen.
Heute sah das Wetter schon wieder viel freundlicher aus und gegen Mittag zogen wir weiter auf der Autobahn den Gletscher hinunter, das Abfahren mit den Schlitten funktionierte mehr oder weniger gut und nach einigen endlosen Kilometern auf dem Gletscher kamen wir gegen 19:00 Uhr ins Basislager zurück.
Kurz vor dem Basislager hatten uns noch Sue Nott und ihr Kletterpartner, zwei Spitzenbergsteiger aus den USA, überholt. Als wir im Basislager aufgebrochen waren, kamen sie gerade von einer Überschreitung des Mt. Foraker zurück. Auf unsere Frage was sie in der Zwischenzeit gemacht hätten, antworteten sie, dass sie noch den Mt. Hunter bestiegen hatten und gerade vom Denali zurückkämen. Am Denali waren sie vier Tage unterwegs gewesen. Es hatte so lange gebraucht, da sie noch bei einer Rettungsaktion geholfen hatten...
Voller Freude auf die „Leckereien“ gruben wir als erstes unser Cache aus und fielen über die Riegel und die Schokolade her. Am gleichen Abend konnten wir nicht mehr ausfliegen, aber am nächsten Tag sollten wir ab 8:00 Uhr fertig sein.
Wir machen nach dem Abendessen noch zwei Stunden lang Pfannkuchen (6 oder 7 Pfannkuchen in zwei Stunden...), dann gingen wir schlafen.
29.05., 6:30 Uhr, meine Uhr riss mich unsanft aus dem Schlaf und ich begann mich anzuziehen und meine Sachen zusammenzupacken. Pünktlich um 8:00 Uhr saßen wir an der Piste und die ersten Flugzeuge flogen ein. Nur K2, unsere Fluggesellschaft, flog erst so spät los, dass der Pilot im aufziehenden Schneetreiben umdrehen musste. Deshalb mussten wir noch neun Stunden warten, ehe es wieder so weit aufriss, dass die Flugzeuge landen konnten. Diese neun Stunden „hingen“ wir im Vorratszelt des Rangers rum da unsere Zelte ja schon verpackt waren und mussten uns mit Käsenudeln statt dem geplanten Frühstück im Roadhouse von Talkeetna begnügen.
Als unsere Maschine dann aber endlich kam (es kamen natürlich gleich drei K2 Maschinen...), uns einsammelte und nach einem vom Nebel geprägten Tiefflug endlich in Talkeetna landete wurden wir von dem in der Zwischenzeit eingetroffenen Frühling begrüßt. Eine nette Abwechslung nach 22 Tagen in Fels und Eis.
K2 half uns dabei ein kleines Ferienhaus zu mieten, hier packten wir unsere Sachen aus, duschten endlich mal wieder und gingen dann in den West Rib Pub um nach langer Zeit wieder etwas anderes als Müsli und gefriergetrocknete Nahrung zu essen. Von hier aus konnte ich auch kurz in den Blogg schreiben, dass wir alle heil zurück waren.
Bis spät in die Nacht versorgten wir noch unsere Ausrüstung, da wir am nächsten Tag um 10:00 Uhr nach Anchorage abgeholt würden.
Am 30.05. holten wir unser Frühstück im Roadhouse nach, meldeten uns in der Rangerstation zurück und ich besuchte noch kurz das Climbers`Memorial. Hier werden die am Denali verunglückten Bergsteiger beerdigt und es gibt eine Tafel für die, die verschollen sind.
Pünktlich um 10:00 Uhr wurden wir abgeholt und verbrachten den größten Teil der Fahrt nach Anchorage mit schlafen.
Da unsere Flüge ja erst am 03.06. gingen, machten wir noch 3 Tage „Urlaub vom Urlaub“ in Anchorage und flogen dann wieder problemlos ins „alte Europa“ zurück.
Ende
-naja, noch nicht ganz....
Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die in irgendeiner
Weise dazu beigetragen haben mir das Erlebnis Denali mit allen seinen Erfahrungen zu ermöglichen.
Danke an euch das ich das erleben konnte!
Für mich hat der Spruch „Der Weg ist das Ziel“, wenn er auch abgenutzt und mit obigen Negativ-Eigenschaften behaftet war, am Denali seine eigentliche Bedeutung zurück gewonnen. Nicht erst als feststand, dass ich den Gipfel nicht erreichen würde, nein, schon der erste Anblick des Berges, der Flug ins Basislager, die Menschen die wir treffen durften und all die kleinen Dinge die mir auf dieser Reise begegneten waren so beeindruckend, dass der Gipfel „nur“ eine zusätzliche Nuance, gewiss eine begehrte, aber eben nur eine zusätzliche, gewesen wäre, den „Reisegesamteindruck“ entschieden haben andere. Ich habe mein Ziel erreicht, und 11.000km hin und zurück sind eine Menge Ziel!
Bleibt mir nur zu sagen:
Er hat DEN ALI versucht. Er hat DEN ALI begeistert. Er wird wiederkommen.
Alexander (Alex, Ali) Hühn
Text: Alexander Hühn mit Ergänzungen von Silke Paul & Christoph Haas
Fotos: Silke Paul & Christoph Haas
Mai 2005