Höhenstürme am Schwarzen Berg - Expedition zum Makalu
Der 8467m hohe Makalu in Nepal war im Mai 2010 das Ziel einer vom DAV-Summit-Club organisierten Expedition, an der die Ulmer Helga Söll, Dr. Jürgen Greher und Christoph Haas teilnahmen.
Makalu bedeutet in der Sprache der Nepalesen der „schwarze Berg“. Er liegt etwa 30 km östlich des Mt. Everest im Makalu-Barun-Nationalpark. Als fünfthöchster Gipfel der Erde wird er eher selten bestiegen, was vor allem an seinen schwierigen und unbeständigen Witterungsverhältnissen liegt. Auch die erfolgreichen Ulmer Höhenbergsteiger Gabi und Siggi Hupfauer hatten bei ihrer Expedition mit extremen Winden zu kämpfen und konnten den Gipfel letztendlich nicht erreichen. Wir waren also vorgewarnt...
Am Gründonnerstag fliegen wir endlich ab in Richtung Nepal! Nach einem kurzen Aufenthalt in der Hauptstadt Kathmandu folgt ein weiterer Flug in den Osten des Landes, nach Tumlingtar. Hier am Arun ist Tourismus noch kein großes Thema und so gleicht der Flugplatz einem recht mäßig gepflegten Bolzplatz. Die Formalitäten halten sich, den Umständen angepasst, in entsprechenden Grenzen.
Weiter geht es mit ein paar arg strapazierten Land Rovern über Pisten, die manch einer Cross-Strecke zur Ehre gereicht hätten. Gut zwei Stunden später kommen wir total eingestaubt und gut durchgeschüttelt in der Ortschaft Chichila an.
Angesichts der Fahrweise und des abenteuerlichen Straßenzustands müssen wir auch dieses Jahr wieder feststellen, dass das Abenteuer bereits mit der Anreise beginnt und manchmal mehr Gefahren birgt, als der Berg selbst.
Somit sind wir erleichtert, dass wir jetzt auf der Trekkingtour, die uns in neun Tagesetappen ins Basislager führt, unseren eigenen Beinen vertrauen können.
Vor dem Start findet noch die übliche Prozedur der Gepäckverteilung statt. Mit elf Teilnehmern, zwei Climbing-Sherpas und dem Küchenteam kommt bei sechs Wochen Basislageraufenthalt eine ganz schöne Menge an Vorräten und Material zusammen. In dieser eher dünn besiedelten Gegend ist es jedoch gar nicht so einfach, genügend geeignete Leute anzuwerben.
So kommt es, dass von unserer Agentur auch einige sehr junge, unerfahrene Träger eingestellt werden. Etliche davon sind den Anstrengungen nicht gewachsen und müssen ihren Dienst quittieren. Für uns bedeutet dies einiges an zurück gelassenem Material, das durch die starken Träger später nachgeholt werden muss.
Unser Weg führt über mehrere Höhenzüge und Pässen bis 4200 m ins Baruntal und in dessen weiterem Verlauf an den Fuß des Makalu.
Im Frühjahr blühen auf den Hügeln und Vorbergen die Rhododendren in einer kaum vorstellbaren Pracht und Üppigkeit! Rot, weiß und rosa leuchtet es bis zum Horizont, wo sich mit zunehmender Höhe die schneebedeckten Gipfel von Makalu, Baruntse und Chamlang zeigen. Es ist eine Freude hier zu wandern und der Finger scheint am Fotoauslöser fest zu kleben. Unvergessliche Schönheit, die Freude und Begeisterung wachsen lässt. Wir genießen die Farbenpracht und Wärme in vollen Zügen um in den Wochen der langen Wartezeit auf der kargen Gletschermoräne davon zehren zu können.
Die letzte Etappe zum Basislager auf gut 5600 m fordert noch mal alle Kräfte - 1000 Höhenmeter über wegloses Blockwerk lässt einen schier verzweifeln!
Im Basislager angekommen müssen noch unsere Zelte aufgebaut werden. Zum Glück hatte eine kleine Vorhut Tags zuvor bereits das riesige Mannschaftszelt aufgestellt und uns vor dieser Plackerei bewahrt. Dankbar verkriechen wir uns in die kuschligen Schlafsäcke, da jeden von uns das Kopfweh ein wenig zwickt.
Nach kurzer Zeit haben sich alle an die Höhe gewöhnt und so machen wir uns bald an den Aufstieg. Wir sind in diesem Jahr die erste Gruppe am Berg und somit ist es an uns, die Fixseile zu verlegen.
Der Weg bis zum Gletscherbeginn besteht aus Moränenschutt, Blockwerk und brüchigem Fels. Knapp unter 6000 m befindet sich eine erste Steilstufe, die auf etwa 150 Höhenmetern mit einem Fixseil versichert wird.
Mit vereinten Kräften und unterstützt von unseren beiden Climbing-Sherpas Singi und Nima ist der Materialtransport von Zelten, Seilen und anderem Material gut zu bewältigen. Auf 6100 m errichten wir unser erstes Lager, das wir aber lediglich in der Akklimatisationsphase benutzen. Gut angepasst steigen wir später direkt nach Lager 2 in 6800 m Höhe auf.
Der Weg dorthin führt uns abermals durch einen gewaltigen Eisbruch, in dem steile Blankeispassagen und eine große Spalte auf uns warteten. Diese Spalte konnte anfangs mit einem kühnen, großen Schritt überwunden werden, gegen Ende der Tour war dann schon eher ein Sprung darüber nötig. Die später hinzugekommenen Expeditionsgruppen umgingen diese Stelle weitläufig, da ihnen der „German Step“ zu ausgesetzt war.
Wir liegen gut im Zeitplan und fühlen uns nach abgeschlossener Akklimatisation – wir haben bereits zwei Nächte auf 6800 m hinter uns – fit genug, Zelte und Material auf den Makalu-La (7400 m) zu bringen, um alles für den Gipfelanstieg vorzubereiten.
Die 600 Höhenmeter zwischen Lager 2 und Makalu-La bestehen aus kombiniertem Gelände mit Blankeisrinnen und Kletterpassagen in festem Granit. Dazwischen gibt es zur Abwechslung noch zwei steile, nicht enden wollende Firnfelder.
Hier zwingt uns jedoch schlechtes Wetter zwei Mal zum Rückzug - der Makalu zeigt uns seine kalte abweisende Seite.
Unsere Planung Lager 3 auf 7400 m einzurichten und Material nach oben zu verschieben wird durch Neuschnee und Höhenstürme mit bis zu 120 km/h zunichte gemacht. Jeder Aufstiegsversuch ist sinnlos. Der Jetstream, der immer sich immer wieder auf unsere Höhe absenkt, würde unsere Zelte und wahrscheinlich auch uns bis nach Tibet hinüber verblasen.
Im Basislager läuft uns jetzt langsam aber sicher die Zeit davon! Eine geringe Wetterbesserung wird von dem Innsbrucker Meteorologen Charly Gabel für den 16. Mai vorausgesagt. Unsere letzte Chance, da wir spätestens am 18. Mai den Rückmarsch antreten müssen.
Wir nützen diese und steigen über Lager 2 Richtung Makalu La. Helga, Joe und Nima erreichen die Passhöhe am Nachmittag des 14. Mai. Mittlerweile hat sich wieder ein Höhensturm eingestellt und bläst die Drei förmlich vom Berg. Die restliche Gruppe liegt etwa 20 Minuten zurück und als klar wird, dass dort oben kein Lager eingerichtet werden kann, kehren wir alle schweren Herzens um.
Das war es dann, mit dem Gipfelversuch am Makalu!
Nur Joe, Luis und Alix haben die Möglichkeit länger zu bleiben und hoffen auf ein späteres Wetterfenster.
Alleine Joe Lunger erreicht am 24. Mai den Gipfel – ohne künstlichen Sauerstoff! Dies gelingt in diesem Jahr nur zwei Bergsteigern! Eine super Leistung!
Wir anderen müssen leider zurück. Die sogenannte Ice-Col Route soll uns hinüber ins Khumbu-Gebiet, und von dort weiter nach Lukla führen.
Normalerweise legt eine Gruppe mit Trägern diese Strecke in acht Tagen zurück, wir haben jetzt aber nur noch fünf Tage dafür zur Verfügung! Um trotzdem noch rechtzeitig unseren Flieger in Lukla zu erreichen, entschließen wir uns, die Strecke ohne Träger im Eilmarsch zu bewältigen. Dies bedeutet drei Passübergänge mit bis zu 6100 m Höhe, fast durchweg wegloses Gelände, Kletterpassagen in semi-festem Fels bis zum dritten Grad ohne Sicherungsmöglichkeiten – dafür mit ordentlich Luft unterm Hintern, sowie zum Teil vogelwilde Abseilaktionen. Dazu gut 20 kg im Rucksack, da wir Schlafsäcke, Zelte und Verpflegung für die fünf Tage ebenso mit uns führen, wie einige persönliche Dinge für den Rückflug. Unser restliches Gepäck wird auf dem Weg durchs Barun-Tal wieder zurück nach Kathmandu gebracht.
Es ist ein eindrucksvolles Erlebnis ohne Führer oder Träger in unbewohnter Landschaft mitten im Himalaya unterwegs zu sein. Als wir nach drei Tagen ziemlich geschafft in der ersten Siedlung Chukung ankommen, ist es ein tolles Gefühl ein Bier zu bestellen und zwei riesige Portionen Essen dazu... Für jeden natürlich!
Ab hier machen wir es uns etwas bequemer und lassen einen Teil unseres Gepäcks von zwei Trägern transportieren. Mit leichtem Gepäck geniessen wir die letzten Etappen bis nach Lukla. Der Gipfel blieb uns in diesem Jahr leider verwehrt, das Trekking durch die herrliche und eindrucksvolle Landschaft entschädigt uns jedoch ein kleines bisschen.
Oder frei nach Reinhard Karl:
„Der Weg ist das Ziel“!
(Allgemein akzeptierte Ansicht und billige Ausrede für die, die den Gipfel nicht erreichen.) Zusatz- Zitat: Ali Hühn, Denali/Alaska 2005 .
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle auch noch einmal an alle, die unsere Unternehmung so großzügig Unterstützt haben! Vor allem, die Firma Sport Sohn in Ulm, die Firma Sunload in Berlin und die Zeitschrift Outdoor!
Video: Dr. Josef Lunger
Text: Helga Söll & Dr. Jürgen Greher mit Ergänzungen von Christoph Haas
Mehr Infos zum Makalu gibt's hier.
April & Mai 2010