Gut Ding will Weile haben... So oder so ähnlich könnte man das Ganze formulieren! Gemütlich plantschen wir in der Abendsonne in der Ibonet de Creüeña, einem kleinen Bergsee am Fuße des Maladeta-Massivs in den spanischen Pyrenäen. Exakt an der Stelle, an der wir vor genau drei Jahren unser Zelt von einer 10cm dicken Schneeschicht befreien mussten – auch das kann Spanien im August bieten!
Wir genießen die letzten wärmenden Sonnenstrahlen und lassen den ersten Tourentag noch einmal Revue passieren.
Nach der langen Anfahrt durch die Schweiz und Frankreich, starten wir gemütlich vom ideal gelegenen Campingplatz „Pllan de Senarta“ am Ufer des Rio Ésera. Nach einer kurzen Strecke auf der Forststraße zweigt unser Pfad nach Osten ab. Steil führt uns der Weg durch kühlen, dichten Bergwald am Ufer eines Sturzbachs entlang, immer weiter ins Vall de Cregüeña hinauf. Immer wieder laden tiefe Gumpen mit kristallklarem Wasser zu einer kurzen Pause ein.
Im oberen Talbereich lichtet sich der Bewuchs dann zusehends und der Weg führt immer häufiger durch wildes Blockgelände. Als Entschädigung bieten sich jetzt tolle Ausblicke auf die Dreitausender im Westen. Nach einem kurzen, ebenen Abschnitt auf etwa 2000 m, schlängelt sich der Pfad ein letztes Mal für heute zwischen licht stehenden Latschen und Kiefern steil einen alten Moränenwall hinauf.
Am Ufer eines winzigen Sees finden wir ein ebenes Fleckchen für unser Zelt und lassen es für heute gut sein – schließlich sind wir ja im Urlaub und knapp 1100 Höhenmeter sind mit 25kg auf dem Rücken auch gar nicht sooooo schlecht.
Der nächste Morgen beschert uns -im Gegensatz zum vorherigen Versuch- statt Neuschnee strahlenden Sonnenschein, ein gemütliches Frühstück und den festen Vorsatz, heute nur bis zum folgenden See zu laufen. Die Ibón de Cregüeña, empfängt uns bereits nach einer knappen Stunde Slalom laufen zwischen riesigen Granitblöcken. Tiefblau und eiskalt füllt der See, eingerahmt von beeindruckenden Granitnadeln, den Talschluss aus.
Das Nordufer bietet alle paar Meter einen noch tolleren Lagerplatz, so dass wir uns erst nach einer weiteren Stunde für einen entscheiden können. Ist ja auch nicht so einfach: Trinkwasser soll nahe sein, zum Baden darf es auch nicht so weit zu laufen sein, windgeschützt aber mit guter Aussicht, ... Schnell sind das Zelt aufgebaut und die nötigsten Dinge für eine kurze Erkundungstour im Rucksack verstaut. Vor dem Abendessen wollen wir noch von einem kleinen namenlosen Gipfel aus ,sowohl die Überschreitung des Passes am Talende, als auch den Wegverlauf für die morgige Tagestour in Augenschein nehmen.
Zurück am Zelt müssen wir uns mit dem Baden und Kochen richtig beeilen – kaum ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, wird es ziemlich frisch. Immerhin haben wir unsere warmen Jacken nicht umsonst herauf getragen! Nächster Tag – nächster Ausflug! Weglos, zunächst über steile Wiesen, dann zunehmend durch grobes Geröll und über fantastische Granitplatten suchen wir uns einen Weg, vorbei an der Ibón de la Maladeta, hinauf zum Collado Cordier. Während Annika am Pass eine kurze Brotzeitpause einlegt, gönne ich mir noch eine superschöne, ausgesetzte Gratkletterei auf den 3146m hohen Nordgipfel des Pico le Bondidier.
Kurze Zeit später stehen wir dann beide auf dem 3263m hohen Gipfel des Pico Cordier, unserem eigentlichen Tagesziel. Das 360°-Panorama ist einfach unbeschreiblich! Die Hauptkette der Pyrenäen wirkt wie eine Wetterscheide. Der französische Teil liegt unter einer wild brodelnden Wolkendecke, aus der sich immer wieder Wolkenfetzen lösen und sich über dem Tal des Rio Ésera auflösen. In Richtung Süden verliert sich der Blick im Dunst der spanischen Tiefebene. Weit unter uns ist auch der Ausgangspunkt und die Normalroute unseres nächsten Ziels zu erkennen. Der Parkplatz am Ende der Straße, der Weg zum Refugio de la Rencllusa und weiter hinauf, bis der markante Nordgrat des Pico de la Maladeta den weiteren Verlauf verdeckt. Vom Gratende lugt der höchste Gipfel der Pyrenäen, der Pico de Aneto, zu uns herüber. Nach zwei Stunden Abstieg springen wir dann endlich ins türkis farbene Wasser in unserer Badebucht! Erfrischend, aber eiskalt!
Der Weg hinauf zum Collado de Cregüeña zieht sich am nächsten Morgen ewig dahin und so können wirerst gegen Mittag einen letzten, atemberaubenden Blick über die Ibón de Cregüeña genießen. Um so schneller erreichen wir dafür auf der anderen Seite den nächsten malerisch gelegenen See, die Ibón del Medio, und damit unseren nächsten Lagerplatz. Nachdem es erst früher Nachmittag ist, mache ich mich noch auf den Weg in Richtung Aneto Gipfel – ein wenig die Beine vertreten kann ja nicht schaden!? Annika bevorzugt eher ein Plätzchen im Schatten und lässt die Füße in den See baumeln.
Mich führt mein Weg in weitem Bogen um den See herum und anschließend entlang des wild gezackten Felsgrates Crencha de Llosars immer steiler hinauf zu den letzten Relikten des Glacier de Corones, den ich aber problemlos links umgehen kann. Noch eine kleine Felsstufe und ich stehe nach eineinhalb Stunden am Collado de Corones.
Was nun folgt, dürfte eine der letzten möglichen „Gletschertouren“ in den Pyrenäen sein! Auf dem Glacier de Aneto umgehe ich den Gipfel des Punta Oliveras Arenas. Jetzt am späten Nachmittag wird der Schnee hier auf der Schattenseite des Berges schon wieder recht fest und ich bin froh, die Steigeisen mitgenommen zu haben. Am oberen Ende des Eisfeldes bringt mich ein letzter Geröllabschnitt ganz schön außer Atem! Jetzt noch etwa 20 Meter ausgesetzte Gratkletterei und schon stehe ich auf dem mit 3404m höchsten Punkt der Pyrenäen. Schon beim Aufstieg zeigte sich ein klarer Vorteil der Berge auf der iberischen Halbinsel: während in den Alpen an einem sonnigen Sonntag in den Ferien hunderte so einen besonderen Gipfel zu stürmen versuchen, bekamen wir in den letzten vier Tagen gerade mal sieben Personen zu Gesicht – und nur drei davon aus der Nähe!
Zurück am Zelt, springe ich erst einmal in den See. Kaum zu glauben, aber dieser kommt mir noch kälter als der gestrige vor! Dafür ist auch das Abendessen bereits fertig und die warmen Klamotten liegen auch schon bereit – das ist ein Service! Für uns neigt sich die Tour nun dem Ende zu. Aber vor der heiß ersehnten richtigen Dusche steht noch ein langer, landschaftlich hervorragend schöner Abstieg durch das Vall de Corones an. Über steile Wiesen von einem See zum nächsten, bis der Bach über wilde Kaskaden im Wald verschwindet. Vom Refugio de Corones aus folgen wir schlussendlich der Forststraße durchs Vall de Vallibierna. Am späten Nachmittag treffen wir an unserem Auto am Campingplatz ein.
Charakter
Hervorragend schöne, einsame Gebirgswanderung ohne Hüttenkontakt. Gipfelbesteigungen erfordern sicheres Gehen im weglosen/alpinen Gelände. Ab und an müssen auch die Hände mit zur Hilfe genommen werden. Je nach Lust und Laune können zusätzliche Gipfel mit eingebaut werden. Auch ein Ausdehnen der Strecke ist jederzeit möglich.
Ausgangspunkt
Ein bewährter Startpunkt ist der Campingplatz „Pllan de Senarta“ am Embalse de Paso Nuevo im Val de Benás. Hier wird das parkende Auto, wenn auch nicht bewacht, vom Campingplatzinhaber „im Auge“ behalten. Die nächstgelegene größere Ortschaft ist Benás (Benasque).
August 2010