Eigentlich glaubte ich, einen recht guten Überblick über Norwegen zu habe. Aber Senja? Norwegens zweitgrößte Insel? Da war mir doch tatsächlich was durch die Lappen gegangen!
Ein spektakuläres Kalenderfoto brachte die Insel kurz vor einem spontan geplanten Skitrip in den hohen Norden wieder auf den Schirm. Aber ausser ein paar kurze
Tourenbeschreibungen in den Standartwerken und ein paar Berichten über vogelwilde Eisklettereien von Ines Papert, dem späten Harry Berger und Albert Leichtfried gab es
auf die Schnelle wenig Infos über Unternehmungen für Normalsterbliche.
Eine Mail an den Nordland-Guru Mike af Ekenstam in Narvik half dann schon einen großen Schritt weiter: „Fahrt einfach mal nach Mefjordvær und klopft bei Bent von der Senja
Lodge & Mountainguides an – der hilft Euch da schon weiter!“
3400 abwechslungsreiche Kilometer später standen wir im dichten Schneesturm auf der Türschwelle der Lodge. Wir wurden von Bent sehr freundlich aufgenommen und sofort mit
einem ganzen Berg von Vorschlägen überhäuft.
Leider war uns das Wetter nicht so ganz wohlgesonnen -was man auf einer Insel im Nordatlantik ja auch ab und zu akzeptieren muss- und so traten wir nach einer Woche auf Senja schön langsam den Rückzug nach Süden an. Ein Rückkehr war aber schon zu diesem Zeitpunkt ganz fest eingeplant...
Und so stehen Bernd und ich nun bei strahlendem Sonnenschein auf dem Gipfel des Store Hesten und lassen den Blick über die zahllosen Gipfel und den tief unter uns liegenden Fjord schweifen. Das „große Pferd“ ist mit seinen 874 Metern über dem Meeresspiegel -und dieser befindet sich lediglich einen guten halben Kilometer weiter nördlich des Gipfels- eines der markanten Ziele des Mefjords.
Obwohl uns unten am Parkplatz auf Meereshöhe ein eisiger Wind empfing, starteten wir in Richtung sonnenbeschienene Passhöhe, was im wesentlichen bedeutete, das Bernd voraus spurte und ich irgendwo hinterher hechelte. Man wird halt auch nicht jünger!
Am Lille Hestvatnet, einem kleinen, super schön gelegenen Bergsee ziehen wir einen weiten Bogen um unseren Zielberg und erreichen nach knapp zwei Stunden den Gipfelgrat.
Rechts von uns liegt etwa einen halben Kilometer tiefer der Svartholvatnet, der das Massiv des Store Hesten von dem des Breidtinden, mit 1017 Metern das „Dach Senjas“,
trennt.
Auf dem Weiterweg zum Gipfel müssen wir den ein oder anderen Schlenker einlegen, um nicht den zum Teil weit hinausreichenden Schneewechten zu nahe zu kommen. Die letzten
Meter sind etwas felsdurchsetzt und fast ein wenig exponiert, aber dann stehen wir auch schon ganz oben. Alles kein Problem!
Direkt vor uns, auf der gegenüberliegenden Fjordseite, präsentiert sich vielleicht DER Berg des Mefjords von seiner etwas sanfteren Seite: die Segla!
Tags zuvor konnten wir den Gipfel dieses riesigen Granitklotzes bei besten Wetter abfahren – ein absoluter Traum! Der höchste Punkt der Segla hängt sogar etwas in
Richtung Fjordseite über, so dass man von dort oben direkt ins Meer springen könnte – wäre da nicht 640 Flugmeter dazwischen.
Uns stehen nach einer entspannten und mittlerweile gänzlich windstillen Mittagspause am Gipfel ein paar traumhafte Abfahrtsmeter in bestem Pulver bevor! Das strukturierte
Gelände und die gelegentlichen Absätze lassen uns die entstandenen Windverfrachtungen großzügig umfahren und so stehen wir bald mit einem irren Grinsen im Gesicht auf
dem zugefrorenen Hestvatnet.
Da es bereits April ist und die Tage zusehends länger werden steht einer zweiten Runde nichts im Weg. Zwar sparen wir uns dieses mal die letzten Meter auf dem Grat – eine
riesen Gaudi ist es aber dennoch!
Wieder zurück am See fellen wir für den kurzen Aufstieg zur Passhöhe zwischen dem Store Hesten und seinem etwas weiter westlich gelegenen kleinen Bruder an. Die
Sonnenstrahlen fallen schon recht flach in den Fjord und die Berge am gegenüberliegenden Ufer leuchten golden zu uns herüber. Direkt am Sattel ist das Terrain etwas hart
und abgeblasen, keine 50 Meter weiter haben wir jedoch gleich wieder knietiefen Pulverschnee.
Eine Abfahrt bis direkt an die Wasserlinie am Meer ist jedes Mal wieder etwas besonderes.
Der Geruch von Seetang und Salzwasser passt für uns halt irgendwie nicht so ganz zu -10°C und Pulverschnee.
Gemütlich machen wir uns wieder auf den Weg zurück nach Mefjordvær in Lodge. Mal sehen was Bent beim Abendessen für den kommenden Tag an Ideen hat. Er spricht schon lange über eine „Senja Haute Route“, die er zusammengebastelt hat. Alle großen Gipfel der Insel in Serie – schau ma moi!
Erst können wir diese Nacht einmal mehr eine riesige Lightshow am Himmel beobachten. Auch wenn die Füße schön langsam kurz vor dem abfrieren sind, für dieses Spektakel am Himmel leidet man gerne ein wenig.
Karte: Nordeca, Norge-Serien 1:50.000, Blatt 10151 Senjahopen
Guiding: Senja Lodge & Mountainguides
07. April 2017
Karte: Nordeca, Norge-Serien 1:50.000, Blatt 10151 Senjahopen
Guiding: Senja Lodge & Mountainguides
05. April 2016
Karte: Nordeca, Norge-Serien 1:50.000, Blatt 10151 Senjahopen
Guiding: Senja Lodge & Mountainguides
21. März 2016
Karte: Nordeca, Norge-Serien 1:50.000, Blatt 10151 Senjahopen
Guiding: Senja Lodge & Mountainguides
26. März 2015
Infos
Bent Vidar Eilertsen, Manager und Leadguide der Senja Loge in Mefjordvær bezeichnet die zweitgrößte Insel des Landes gerne als „Norwegen in Miniatur“.
Sie liegt nördlich des 69ten Breitengrads, etwas südlich der Stadt Tromsø und bedeckt eine Fläche von etwa 1586 Quadratkilometern. Im Gegensatz zu Hinnøya, der größten Insel
Norwegens, liegt das von etwa 7800 Menschen bewohnte Senja exponiert an der Küste und bekommt somit entsprechend harsches Klima ab.
Die Landschaft auf Senja präsentiert sich extrem vielseitig. Während im Norden der Insel tief eingeschnittene Fjorde und sehr alpin anmutende Berge dominieren, sind es weiter im
Süden eher runde Hügel und breite Täler.
Im Zentrum und im südlicheren Teil der Insel befindet sich der 1970 gegründete und in den Jahren 1975 und 2004 erweiterte Ånderdalen-Nationalpark. Auf seinen knapp 125
Quadratkilometern schützt er weite Teile der noch beinahe unberührten Küstenlandschaft.
Dank des kleinen aber feinen Straßennetzes auf der Insel und vor allem Dank der zahlreichen Tunnel, ist die Insel auch im tiefsten Winter bestens per Auto erreichbar.
Anreise
Per Flugzeug via Oslo sind die am besten gelegenen Zielflughäfen Bardufoss und Tromsø.
Am besten dann weiter mit einem Mietwagen via Finnsnes auf die Insel.
Achtung: die Fährverbindung Tromsø – Kvaløya – Lysnes auf Senja besteht in den Wintermonaten nur als Personenfähre!
Mit dem eigenen Pkw empfiehlt sich die Anreise über Schweden. Entweder via Inlandsvägen (E 45) oder am Bottnischen Meer entlang auf der E4.
Beide Strecken verlaufen auf den letzten Kilometern über Kiruna und Narvik nach Finnsnes auf Senja.
Unterkunft
Überall auf der Insel verstreut stehen die unterschiedlichsten Arten von Unterkünften zur Verfügung. Von der einfachen Hütte bis hin zur Nobelhotel ist alles zu finden.
Viele davon haben auch zur Winterszeit offen, da die Fischerei vor allem zu dieser Jahreszeit viele Gäste anzieht.
Wir selbst hatten uns im ersten Jahr im Mefjord
Brygge Hotel eingemietet,
im zweiten fanden wir bei Bent in der Senja Lodge, gleich
vis-a-vis, Unterschlupf.
Senja Lodge & Mountainguides
Die Lodge ist wahrscheinlich der perfekte Anlaufpunkt für alle Senja-Aspiranten, egal ob Eis- und Alpinkletterer oder Skitourengeher! Nicht umsonst gehen hier Klettergrößen wie Ines
Papert ein und aus!
Hier bekommt man kleine, gemütliche Zimmer für einen finanzierbaren Preis geboten. Es stehen eine geräumige, voll ausgestattete Küche und ein uriges Wohnzimmer mit einer großartigen Bibliothek zur Verfügung.
Eine gut ausgestattete Skiwerkstatt und ein feiner Trockenraum perfektionieren die Unterkunft.
Wer Bedenken seitens seiner Fähigkeiten in Sachen Wegfindung und Lawinensicherheit hat, findet in Bent nicht nur ein wandelndes Lexikon über die Insel, sondern auch einen klasse Bergführer!
Einkaufen
Im Nachbarort Senjahopen findet sich ein kleiner Supermarkt und eine Tankstelle. Ansonsten finden sich Einkaufsmöglichkeiten in den Orten Skaland und
Gryllefjord sowie Sifjird/Medby und Flakstadvåg im südlichen Bereich der Insel.
Beste Reisezeit
Das Wetter an der Polarmeerküste ist oft unvorhersehbar und extrem wechselhaft. Trotzdem bietet Senja eine überraschende Schneesicherheit.
Eine Reise nach Senja mit Blick auf die Wetterkarte zu planen macht recht wenig Sinn. Praktischer ist es da schon genügend Zeit und ein paar gute Bücher mit
einzupacken und eine Schlechtwetterfront vor Ort auszusitzen.
Tage mit perfekten Bedingungen und solche mit Weltuntergangsstimmung wechseln sich recht häufig und unmittelbar ab. Hin und wieder kann sich der nordische
Wettergott jedoch auch zu etwas längeren Wetterfenstern mit besten Bedingungen durchringen.
Die beste Zeit um auf Skiern unterwegs zu sein ist zwischen Februar und Ende Mai. Nachdem es im Mai schon mit großen Schritten auf die Mitternachtssonne zu
geht, wird hier wieder etwas ganz besonderes geboten – auch wenn dies zu Lasten der Polarlichter geht, die man wegen der Helligkeit dann irgendwann einfach
nicht mehr sehen kann.
Zum Alpin- und Eisklettern ist der Zeitraum zwischen November und Anfang April. Auch wenn die Zeit von November bis Januar nur sehr kurze Tag bietet, so machen
das die faszinierende orange bis lila farbene Lichtstimmung und die guten Bedingungen bei weitem wieder wett!
Karte
Turkart 1:50.000 Senja Nord & Senja Sør
Literatur
Der vollständigste, jedoch private Skitouren und Eiskletterführer für Senja liegt in der Senja Lodge. Etliche Berichte und Topos sind handgeschrieben und
sind daher schon sehenswert.
Vier der großen Skitouren Klassiker sind im Führer „Toppturer i Norge“ von Trygve Sunde Kolderup, Arne Eitlere, Anders Waage Nilsen und Erlend Sande,
erschienen im FriFlyt- Verlag, abgedruckt.
Bent arbeitet derzeit mit Hochdruck an einem vollständigen Führer für diese wunderschöne und abwechslungsreiche Insel.
Veröffentlicht wurde der oben stehende Artikel bei den Kollegen vom Freiluftwerk in Freising und ist neben der gedruckten Fassung auch als Download verfügbar.
Karte: Nordeca, Norge-Serien 1:50.000, Blatt 10151 Senjahopen
Guiding: Senja Lodge & Mountainguides
23. März 2014